Kristina

Shabbat Attack

Und wieder ein Shabbat, der harmlos beginnt und am Ende fragt man sich, in welchem Film man jetzt eigentlich geraten ist. Ursprüngliches Programm des Tages: Olivenernte unterhalb von Issas Haus nahe der israelischen Siedlung Tel Rumeida und anschließend der wöchentliche Besuch der von Siedlerattacken bedrohten Familie. 

Die Stimmung bei der Olivenernte war entspannt und freudig. Wir pflückten die Oliven unter anderem zusammen mit Sabeel Nazareth, einer Friedensinitiative palästinensischer Christen. Wir wurden mit Applaus begrüßt, während der Ernte wurde gesungen, die Kinder spielten, eine Israelin gab Karottenkuchen aus, es gab Tee – sprich Bilderbuchernte.

Plötzlich springen einige Friedensaktivisten auf und rennen den Hang hinunter, wo ebenfalls geerntet wird. 

Was war passiert? Siedler haben Abed Hashlamoun, einen Fotografen der European Pressphoto Agency (EPA), blutig geschlagen und im Gesicht sowie am Bein verletzt.Ich habe ihn am Schluss hinken sehen – er konnte nicht mehr alleine laufen. 

Janet Benvie, eine britische Friedensaktivistin vom Christian Peacemaker Team wurde von einem der Siedler mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Auch sie habe ich hinterher gesehen und mit ihr gesprochen – Ihr Gesicht war geschwollen. Der Grund für all das: Die Siedler hatten versucht dem Journalisten die Fotokamera zu entreißen. Janet Benvie hatte versucht, dem Fotografen zu helfen und bekam die Kamera zu fassen. Dafür wurde sie geschlagen. 

So jetzt mag man denken: Na hoffentlich kam wenigstens die Polizei! Als die israelische Polizei (palästinensische Polizei darf den H2-Bereich nicht betreten) allerdings kam, war deren Lösung für dieses Problem, eine “Closed Military Area” auszurufen, um zu verhindern, dass weitere Oliven geerntet werden.

Nebenbei: laut einem der Besitzer Baumbesitzer hatten Siedler bereits schon in den letzten Tagen mit dem ernten seiner Bäume begonnen. Das Papier, das dies belegen sollte, war die Kopie einer Art Blanko-Erklärung (natürlich komplett auf hebräisch) in das einfach das Datum 17. bis 19.10.08 eingefügt wurde. Nachdem sie sich weigerten, die Erklärung näher anzusehen, fragten wir, wo denn exakt die Grenze der Zone sei. Die Antwort: Die Zone ist überall dort, wo die Olivenbäume stehen und Kiriyat Arba (ein anderes israelisches Settlement) gehört auch dazu. Eine Closed Military Area bedeutet, dass niemand den Bereich betreten darf. Das ist also die Antwort auf Siedlergewalt. Da bin ich schlicht sprachlos.

Die anschließende Zeugenvernehmung – wenn wir sie komplett mitbekommen haben – war schlicht eine Frechheit. Die Polizisten machten nicht eine Notiz und telefonierten nebenbei, als der Fotograf aussagte. In Haaretz und Al Jazeera wird einer der Polizisten dann zitiert. Er meinte, die Siedler wurden nicht festgenommen, weil keine offizielle Anzeige erstattet worden ist. Festgenommen wurden stattdessen drei Friedensaktivisten, die sich geweigert hatten, den Bereich zu verlassen. Und auch hier fehlen mir schlicht die Worte. 

Der Polizist setzte dem Ganzen dann noch die Krone auf, als er laut Haaretz und Al Jazeera behauptete, Palästinenser hätten Steine geworfen. Das halte ich schlicht für eine dreiste Lüge, um das jedem Gerechtigkeitsempfinden widerstrebende Handeln der Polizisten zu rechtfertigen. Außer der christlichen,  absolut gewaltfreien Friedensaktivisten und zwei, drei ebenfalls durch und durch friedliebenden Landbesitzern habe ich überhaupt keine Palästinenser gesehen. Und auch Karottenkuchenbäckerinnen gehören nicht zum typischen Steinewerfklientel…

Sowohl Maan News und Al Jazeera (inklusive Fotos von der Attacke) als auch Haaretz berichten über den Vorfall.

Soviel zum ersten Programmpunkt. Als wir nachmittags die Familie besuchten im Wadi Al Hussein und uns auf deren Land mit ihnen unterhielten, kamen die gleichen Polizisten, die uns morgens aus Tel Rumeida vertrieben hatten. Einer der Polizisten meinte, warum wir denn wieder zurück seien, wo er uns doch am morgen weggeschickt habe. Dass wir in einem völlig anderen Bezirk waren – Wadi Al Hussein ist grob geschätzt vierzig Minuten Fussmarsch von Tel Rumeida entfernt – hat er schlicht ignoriert und uns fünf Minuten Zeit gegeben, um auch hier zu verschwinden.

Und auch hier zum Hintergrund: zwei Wochen zuvor haben ebenfalls am Shabbat Siedler die Palästinenser mit Steinen attackiert als wir dort waren. Da kann man nur hoffen, dass heute nichts passiert ist.

(Alle Bilder vom Gastfotografen Matthias)

Ein Kommentar zu “Shabbat Attack”

  1. dr.d - spricht auch für Dr.D.am 19.10.2008 um 14:24

    gestern abend haben dr.d und Dr.D. noch besprochen, dass man mal wieder im gehaltslos blog kommentieren sollte. in ungewohnt harmonischer zusammenarbeit haben wir gemeinsam über witzen und wortspielen zum thema gebrütet und auch den ein oder anderen wirklich schlechten kalauer gefunden.
    aber zum witze machen ist das ja alles gar nicht, was man hier so liest, drum sparen wir uns das. jedenfalls sind sich dr.d und Dr.D. einig, dass wir gehörigen respekt vor all dem haben, was du dort in hebron machst. die witze erzählen wir dir persönlich, wenn du wieder hier bist.

Trackback URI | Kommentare als RSS

Einen Kommentar schreiben

XHTML: Diese Tags sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>