Archiv für die Kategorie 'Kinotipp'

Kristina

Walz with Yoni

Dank Karin Lüdi und der Googlegroup der israelischen Antimilitarismus-Initiative New Profile kann ich an dieser Stelle das neueste Werk von Yoni Goodman vorstellen: den Kurzfilm Closed Zone. International bekannt ist Goodman für den Film Walz with Bashir, bei dem er die Animations-Regie geführt hat. In Closed Zone nimmt Goodman Stellung zur Abriegelung des Gazastreifens. Der Film ist so treffend wie er kurz ist und sei hiermit wärmstens empfohlen:
 

Update von Kristina:
Na, kalte Füße bekommen, Academy? Der japanische Film Departures, den kaum jemand gesehen hat (145 Stimmen in der Internet Movie Database) gewinnt und Walz with Bashir geht leer aus, obwohl nicht nur durch die Animation revolutionär. Ziemlich verhalten auch der Applaus im Oskar-Publikum. Schade. Mehr zu den Oskars gibt’s hier.

Ein weiterer Kinotipp:
Waltz with Bashir von Ari Folman läuft erst im November an, ich habe ihn aber schon auf einem Festival gesehen. (Hier die offizielle Seite mit Trailer.)

Update: Der Film läuft ab dem 6. November im Manhattan (Erlangen) und im Cinecittá (Nürnberg). Weitere Kinos (unvollständig) hier.

Update (2): Die Filmkritik und ein weiteres Interview mit Ari Folman aus dem film-dienst sind nun online.

Er ist mit Sicherheit einer der beeindruckendsten und formal interessantesten Filme seit langem:

Ari Folman hat seine eigene Geschichte verfilmt. Er ist Veteran aus dem ersten Libanon-Krieg. Nach etwa 25 Jahren erzählt ihm ein anderer Veteran, daß er immer noch Alpträume hat, in denen er das im Krieg erlebte immer wieder erlebt.

Folman hingegen erkennt, daß er selbst überhaupt keine Erinnerung an den Krieg hat. Er beschließt, die Menschen aufzusuchen, mit denen er damals Kontakt hatte. Die Interviews, die er führt, hat er aufgezeichnet und zu den realen Tonaufnahmen animierte Bildsequenzen gezeichnet. Zusätzlich hat er das Geschehen, die Träume und Alpträume animiert. Waltz with Bashir ist somit eine Art gezeichneter Dokumentarfilm.

Das ganze ist weit mehr als eine Spielerei oder effekthascherisches Blendwerk: Folman weiß, daß die Schrecken des Krieges durch die gezeichneten Bilder abgemildert werden. Er setzt sie aber bewußt nicht nur als Illustration ein, sondern stellt die Bilder den Interviews gegen über und entlarvt so den Zynismus der teilweise verharmlosenden Sprache. Zum Schluß des Filmes wird das Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila durch die libanseischen Phalangisten-Milizen gezeigt, das unter den Augen und mit zumindest logistischer Unterstützung der israelischen Armee stattfand, was später zum Rücktritt des damaligen israelischen Verteidigungsministers Ariel Sharon führte. In der letzten Szene hebt Folman den mildernden Vorhang der Animationstechnik für einen Moment und zeigt nun Realfilm-Aufnahmen der palästinenischen Frauen, die ihre hingerichteten Männer beklagen. Ich war selten in einem Kinosaal, in dem bis zum Ende des Abspanns eine solche Stille herrschte.

Wer in diesem Jahr schon einmal im Kino war und einen weiteren Film braucht, um die zwei Kinobesuche vollzumachen, die der Durchschnittsdeutsche im Jahr absolviert, sollte sich Waltz with Bashir ansehen.

 

WALTZ WITH BASHIR. IL/D/F 2008

R,B: Ari Folman 

90 min. Ab 6. November

Matthias

Kino-Tipp (4): Beaufort

Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Kino-Tipp ist, aber zumindest ein Hinweis:
Für den Auslands-Oscar war dieses Jahr mit Joseph CedarBeaufort ein weiterer Nahost-Film nominiert, unterlag dann aber den österreichischen Fälschern.

Beaufort ist die Verfilmung von Ron Leshems Roman Wenn es ein Paradies gibt.

Wie auch das Buch ist der Film wohl ein recht harter Kriegsfilm, ein Kammerspiel über das Tun und Lassen der israelischen Soldaten im zweiten Libanonkrieg. Kristina hat das Buch gelesen, vielleicht will sie hier ja noch etwas ergänzen …

… Ja, das will ich gerne machen: Zum Film kann ich nichts sagen, aber das Buch finde ich äusserst lesenswert. Ich wollte schon lange mal einen Artikel darüber schreiben, hab’s aber nie geschafft. Das Buch hilft, die Denkweise und Gefühlswelt israelischer Soldaten nachzuvollziehen. Schön zu lesen ist es nicht im Sinne von: “Ja genau, das denke ich mir schon lange, endlich bringt es jemand auf den Punkt!”. Im Gegenteil: die Soldaten philosophieren zum Beispiel darüber, wie sie am besten “Araber” verschwinden lassen könnten oder was sie mit der Leiche eines ‘Kameradenmörders’ so alles anstellen möchten. Wie gesagt: schön zu lesen ist es nicht aber es wirkt authentisch. Der Autor ist so weit ich weiss Journalist bei Haaretz und war wie jeder Israeli mehrere Jahre beim Militär.

Obwohl Beaufort diverse Preise und Nominierungen aufzuweisen hat (neben dem Oscar einen Silbernen Bären auf der Berlinale 2007 für die Regie und einen Sack voll Preise bei den Preisen der israelischen Filmakademie), ist er am internationalen Publikum vorbeigegangen. So hat er unter anderem im Deutschland wohl keinen Verleih gefunden und ist auch noch nicht auf DVD erhältlich. In Großbritannien ist die DVD-Ausgabe bereits zum Ramsch-Preis verfügbar (z.B. hier oder hier).

Hier noch der Trailer:

 


YouTube Direkt

Matthias

Kinotipp (3): Lemon Tree

So, noch ein weiterer Kinotipp, in diesem Fall basierend auf Hörensagen — ich habe den Film selbst noch nicht gesehen und beziehe mich auf die ausnahmslos überragenden Kritiken. Unter anderem hat der Film den Publikumspreis auf der Berlinale gewonnen.

Die Rede ist von Lemon Tree von Eran Riklis:

Eran Riklis ist in Deutschland vor allem durch seinen Film Die Syrische Braut bekannt.

Auch in Lemon Tree bricht er die großen Themen des Nahostkonflikts auf eine mikroskopische Ebene herunter. Die Lebensgrundlage der Palästinenserin Salma ist ein Zitronenhain, der aber dummerweise der Armee die Sicht auf die vermuteten Hinterhalte rund um die Villa des israelischen Verteidigungsministers versperrt. Sie kämpft um ihr Eigentum, schließlich vor Gericht und mit der Solidarität der Ehefrau des Ministers. Ein Happy End gibt es dennoch nicht: So verfahren die Fronten im Nahostkonflikt sind, so wenig läßt sich solch ein kleines Problem lösen.

Das Fazit aus der Kritik des Schnitt:

Lemon Tree ist bei genauerer Betrachtung fast schon als Kriegsfilm zu kategorisieren, nur eben ohne Waffen und Blut, aber nichtsdestotrotz mit konkreten Opfern. Wenn in der atemberaubenden Schlußequenz des Films der israelische Verteidigungsminister – von seiner Ehefrau verlassen – auf der einen Seite vor einer infolge des Rechtsstreits hochgezogenen Betonmauer steht, die ihm die Sicht auf den Horizont versperrt, und die gebrochene Salma auf dem Boden ihrer ehemals fruchtbaren und nun vernichteten Plantage auf der anderen, reift die erschreckende Erkenntnis heran, daß Krieg mehr darstellt als die Bedrohung von Leib und Leben: Er beraubt die Menschen ihrer Wurzeln.

Die Hauptdarstellerin Hiam Abbass hat für ihre Rolle als erste Palästinenserin den höchsten israelischen Filmpreis gewonnen. Man hat nur vergessen, sie zur Preisverleihung einzuladen.

(Hier gehts zur offiziellen Seite, zur Kritik beim Schnitt, zum Interview mit dem Regisseur in der taz und zu einem Artikel über die Hauptdarstellerin in der ZEIT.)

 

LEMON TREE

Etz Limon. D/IL/F 2008. R,B: Eran Riklis. B: Suha Arraf. K: Rainer Klausmann. S: Tova Ascher. M: Habib Shadah. P: Heimatfilm, Eran Riklis Film, MACT. D: Hiam Abbass, Doron Tavory, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael, Tarik Kopty, Amos Lavie, Amnon Wolf, Smadar Yaaron, Ayelet Robinson u.a.

In Nürnberg derzeit im Metropolis, in Erlangen im Manhattan

Matthias

Kinotipp (1): Trennung

Da Kristina sich momentan mal wieder in Susiya aufhält, also fernab von Zivilisation und Internetzugang, der eine oder andere Gastbeitrag von mir …

Momentan bzw. demnächst laufen im Kino mehrere sehr gute Filme, die sich in der einen oder anderen Weise mit dem Nahostkonflikt beschäftigen.

Schon angelaufen ist Trennung von Amos Gitai. (Hier gibts den Trailer, hier eine Kritik aus dem Schnitt.)

Trennung erzählt die Geschichte Uli und seiner Schwester Ana, die sich nach langer Zeit nach dem Tod ihres Vaters wiedersehen. Sie treffen sich in Frankreich, wo der Vater mit Ana gelebt hatte. Uli war wohl nach der Trennung der Eltern in Israel geblieben, wo er in einer Sondereinheit der Polizei arbeitet und die Aufgabe hat, die Räumung der israelischen Siedlungen im Gaza-Streifen durchzuführen. Als er nach wenigen Tagen zurückkehren muß, beschließt Ana, ihn zu begleiten: Bei der Testamentseröffnung hatte sie erfahren, daß ihre Tochter, die sich in einem Kibbuz zur Welt gebracht und in Israel zurückgelassen hatte, in einer der Siedlungen im Gaza lebt, die geräumt werden.

Was nun stattfindet, ist ein mehrfacher Kulturschock: Der liberale Uli muß gewaltsam die Siedlungen seiner israelischen Landsleute räumen. Die westlich sozialisierte Ana trifft mitten im Tumult der Zerstörung der israelische Siedlung auf ihre Tochter, mit der sie sich nicht mit Worten verständigen kann. Im Prolog des Films trifft Uli im Zug nach Avignon auf eine Palästinenserin und findet sich als ebenso entwurzelt wieder wie sie.

Trennung ist ein Film, der sich weit abseits der üblichen Konfliktlinien bewegt. Er erzählt seine Geschichte in langen, manchmal fast hypnotischen oder traumwandlerischen Seqenzen und gibt keine klaren Antworten — bis auf die im Prolog, daß Israelis und Palästinenser nicht so verschieden sind.

 

TRENNUNG

Disengagement. D/F/I/IL 2007. R,B: Amos Gitai. B: Marie-José Sanselme. K: Christian Berger. S: Isabelle Ingold. M: Simon Stockhausen. P: Pandora Filmproduktions GmbH, Agav Films, Agat Films & Cie u.a. D: Juliette Binoche, Lior Louie Ashkenazi, Giovanna Mezzogiorno, Jeanne Moreau, Liron Levo, Barbara Hendricks u.a.

115 Min. Pandora ab 25.9.08

In Nürnberg derzeit im Casablanca.