Monatsarchiv für November 2008

Update von Kristina:
Na, kalte Füße bekommen, Academy? Der japanische Film Departures, den kaum jemand gesehen hat (145 Stimmen in der Internet Movie Database) gewinnt und Walz with Bashir geht leer aus, obwohl nicht nur durch die Animation revolutionär. Ziemlich verhalten auch der Applaus im Oskar-Publikum. Schade. Mehr zu den Oskars gibt’s hier.

Ein weiterer Kinotipp:
Waltz with Bashir von Ari Folman läuft erst im November an, ich habe ihn aber schon auf einem Festival gesehen. (Hier die offizielle Seite mit Trailer.)

Update: Der Film läuft ab dem 6. November im Manhattan (Erlangen) und im Cinecittá (Nürnberg). Weitere Kinos (unvollständig) hier.

Update (2): Die Filmkritik und ein weiteres Interview mit Ari Folman aus dem film-dienst sind nun online.

Er ist mit Sicherheit einer der beeindruckendsten und formal interessantesten Filme seit langem:

Ari Folman hat seine eigene Geschichte verfilmt. Er ist Veteran aus dem ersten Libanon-Krieg. Nach etwa 25 Jahren erzählt ihm ein anderer Veteran, daß er immer noch Alpträume hat, in denen er das im Krieg erlebte immer wieder erlebt.

Folman hingegen erkennt, daß er selbst überhaupt keine Erinnerung an den Krieg hat. Er beschließt, die Menschen aufzusuchen, mit denen er damals Kontakt hatte. Die Interviews, die er führt, hat er aufgezeichnet und zu den realen Tonaufnahmen animierte Bildsequenzen gezeichnet. Zusätzlich hat er das Geschehen, die Träume und Alpträume animiert. Waltz with Bashir ist somit eine Art gezeichneter Dokumentarfilm.

Das ganze ist weit mehr als eine Spielerei oder effekthascherisches Blendwerk: Folman weiß, daß die Schrecken des Krieges durch die gezeichneten Bilder abgemildert werden. Er setzt sie aber bewußt nicht nur als Illustration ein, sondern stellt die Bilder den Interviews gegen über und entlarvt so den Zynismus der teilweise verharmlosenden Sprache. Zum Schluß des Filmes wird das Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila durch die libanseischen Phalangisten-Milizen gezeigt, das unter den Augen und mit zumindest logistischer Unterstützung der israelischen Armee stattfand, was später zum Rücktritt des damaligen israelischen Verteidigungsministers Ariel Sharon führte. In der letzten Szene hebt Folman den mildernden Vorhang der Animationstechnik für einen Moment und zeigt nun Realfilm-Aufnahmen der palästinenischen Frauen, die ihre hingerichteten Männer beklagen. Ich war selten in einem Kinosaal, in dem bis zum Ende des Abspanns eine solche Stille herrschte.

Wer in diesem Jahr schon einmal im Kino war und einen weiteren Film braucht, um die zwei Kinobesuche vollzumachen, die der Durchschnittsdeutsche im Jahr absolviert, sollte sich Waltz with Bashir ansehen.

 

WALTZ WITH BASHIR. IL/D/F 2008

R,B: Ari Folman 

90 min. Ab 6. November

Kristina

Everyday is Settlersday

Während in Yanoun Samstags die Siedler ihren Shabbat damit verbringen, Bauernfamilien zu terrorisieren, ist in Hebron nun täglich Settlersday. Allein gestern haben die Siedler drei Überfälle begangen. 

  1. Gegen 8:30 Uhr in der Gegend um den zerstörten Siedlungs-Außenposten “Federman-Farm”: sie haben ganz in der Nähe der Familie, die wir seit Freitag begleiten und wo wir den Überfall über uns ergehen lassen mussten, ein weitere Haus attackiert. Dabei haben sie eine etwa 60-jährige Palästinenserin verprügelt und eine Internationale Beobachterin krankenhausreif geschlagen. 
  2. Mittags haben Siedler in Tel Rumeida den Sohn eines Friedensaktivisten verprügelt. Tel Rumeida ist der Stadtteil Hebrons, in dem Siedler am 18. Oktober den Pressefotografen und eine Friedensaktivistin vom Christian-Peacemaker-Team getreten und geschlagen haben. 
  3. Gegen 21:30 Uhr haben dutzende Siedler im Wadi Al Hussein ein Haus überfallen. Dieses palästinensische Wohnhaus liegt ganz in der Nähe der israelischen Siedlung, das die Siedler als “Beit Ha Shalom” (Haus des Friedens) bezeichnen. Drei Palästinenser wurden bei dem Überfall verletzt. 
Die Strategie der Siedlerattacken hat sich mit den letzten Überfällen gewandelt: Die Anzahl der Attacken ist immens und die Orte variieren. Das macht es den Friedensaktivisten schwer, zu reagieren.
Grund für die Attacken ist die erfolgte Räumung des Siedlungs-Außenposten “Federman-Farm” und die geplante Räumung der Siedlung “Beit Ha Shalom”. Seit Ende letzter Woche ist die Entscheidung durch die höchste gerichtliche Instanz in Israel gefallen, dass das Haus innerhalb von 24 Stunden geräumt werden muss. Passiert ist bisher aber noch nichts.
Momentan bereiten sich in diesem Haus vermutlich um die 100 israelische Extremisten auf den Kampf gegen die israelische Armee und Polizei vor. Sie verschweißen gerade bis auf zwei Türen alle Eingänge und die Baumaschinen, die wir aus dem Inneren gehört haben, legen nahe, dass sie sich auch innen verbarrikadieren.
Die Siedler, die ich vor dem Haus gesehen habe, sind teilweise erschreckend jung, manche vielleicht zwölf, dreizehn Jahre alt. Und natürlich sieht man die immer gleichen Männer telefonieren und Schlachtpläne schmieden, die diese Jungs und Jugendlichen dann ausführen sollen und werden. 

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