Archiv für die Kategorie 'Hebron'

Kristina

Nachtschicht

Nachtschicht bei der Familie in der Nähe des zerstörten Federman-Farm-Outpost. Die vielen Kinder schlafen, die 95jährige Nachbarin auch und auch die 105-jährige Großmutter. Neben mir sitzt einer der jungen Männer der Familie, der wie sein Vater nachts kaum ein Auge zu kriegt. Wir sitzen vor dem Haus, schieben Wache und werden jedes Mal unruhig, wenn in der Gegend ein Hund anschlägt oder auch nur eine Katze durchs Gebüsch streift. Die Zeit vertreiben wir uns mit Kaffee, Tee, Toffifee und Arabisch-Unterricht. Alle paar Stunden wechseln Michal und ich uns ab und ich kann schlafen gehn. Es blieb ruhig diese Nacht – Gott sei dank!

Kristina

Die Neuen

Kann’s kaum glauben: die Neuen sind heute angekommen! Tina führt sie gerade in die wunderbare Welt Susiyas ein. Und morgen gibt’s ne Stadtführung, Treffen mit unseren Kontaktpersonen und Abendessen mit unseren rührigen Vermietern. Irgendwie kann ich mir noch nicht vorstellen, dass es schon so bald vorbei ist. Nächsten Montag verlassen wir Hebron!

Kristina

Wir sind nicht allein

Den allmorgendlichen Kampf mit den Soldaten und der Polizei darüber, ob wir die von Israel kontrollierte H2-Zone Hebrons betreten dürfen um die Kinder zur Cordoba-Schule zu begleiten, haben wir heute leider wie fast durchgängig in den letzten drei Wochen verloren. Der zuständige Polizist hatte zuvor den Soldaten über uns “Anarchisten” aufgeklärt.

Da tröstet es nur, dass wir prominente Mitstreiter haben, die ebenfalls in den letzten Tagen an der Closed Military Zone gescheitert sind: am Montag war es der Europa-Grünen-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit, gestern die Vizepräsidentin des Europaparlaments Luisa Morgantini und heute eine Gruppe schwedischer Parlamentarier, denen Michael und ich eine Stadtführung gegeben haben.

Wir hatten mit den Schweden allerdings immerhin einen Teilerfolg: Was wir morgens alleine nicht erreicht haben, sprich einmal zur Cordoba-Schule hin- und zurücklaufen, wurde uns für 20 Minuten dank der Diplomatenpässe gewährt.

Kristina

Everyday is Settlersday

Während in Yanoun Samstags die Siedler ihren Shabbat damit verbringen, Bauernfamilien zu terrorisieren, ist in Hebron nun täglich Settlersday. Allein gestern haben die Siedler drei Überfälle begangen. 

  1. Gegen 8:30 Uhr in der Gegend um den zerstörten Siedlungs-Außenposten “Federman-Farm”: sie haben ganz in der Nähe der Familie, die wir seit Freitag begleiten und wo wir den Überfall über uns ergehen lassen mussten, ein weitere Haus attackiert. Dabei haben sie eine etwa 60-jährige Palästinenserin verprügelt und eine Internationale Beobachterin krankenhausreif geschlagen. 
  2. Mittags haben Siedler in Tel Rumeida den Sohn eines Friedensaktivisten verprügelt. Tel Rumeida ist der Stadtteil Hebrons, in dem Siedler am 18. Oktober den Pressefotografen und eine Friedensaktivistin vom Christian-Peacemaker-Team getreten und geschlagen haben. 
  3. Gegen 21:30 Uhr haben dutzende Siedler im Wadi Al Hussein ein Haus überfallen. Dieses palästinensische Wohnhaus liegt ganz in der Nähe der israelischen Siedlung, das die Siedler als “Beit Ha Shalom” (Haus des Friedens) bezeichnen. Drei Palästinenser wurden bei dem Überfall verletzt. 
Die Strategie der Siedlerattacken hat sich mit den letzten Überfällen gewandelt: Die Anzahl der Attacken ist immens und die Orte variieren. Das macht es den Friedensaktivisten schwer, zu reagieren.
Grund für die Attacken ist die erfolgte Räumung des Siedlungs-Außenposten “Federman-Farm” und die geplante Räumung der Siedlung “Beit Ha Shalom”. Seit Ende letzter Woche ist die Entscheidung durch die höchste gerichtliche Instanz in Israel gefallen, dass das Haus innerhalb von 24 Stunden geräumt werden muss. Passiert ist bisher aber noch nichts.
Momentan bereiten sich in diesem Haus vermutlich um die 100 israelische Extremisten auf den Kampf gegen die israelische Armee und Polizei vor. Sie verschweißen gerade bis auf zwei Türen alle Eingänge und die Baumaschinen, die wir aus dem Inneren gehört haben, legen nahe, dass sie sich auch innen verbarrikadieren.
Die Siedler, die ich vor dem Haus gesehen habe, sind teilweise erschreckend jung, manche vielleicht zwölf, dreizehn Jahre alt. Und natürlich sieht man die immer gleichen Männer telefonieren und Schlachtpläne schmieden, die diese Jungs und Jugendlichen dann ausführen sollen und werden. 
Kristina

Zauberlehrlinge

Was in Olmert, Livni, Barak und all den anderen Zauberlehrlingen wohl vor geht, jetzt wo die Siedler vor niemandem mehr halt machen, wo sie über’s Radio zur Rache gegen israelische Soldaten aufrufen. Vielleicht wird ihnen klar, dass sie Geister gerufen haben, die sie schon lange nicht mehr kontrollieren können. 

Und wie es ist, das Ziel dieser Geister zu sein, habe ich heute sehr hautnah erfahren. Ich habe gesehen, wie die Steine dieser maskierten Geister an uns vorbei schwirrten und wie mein Teamkollege gerade noch auf die Seite springen konnte. Ein Fotograf wurde von einem der Steine am Kopf getroffen und so weit ich weiß ins Krankenhaus gebracht. 

Zusammen mit bettlägerigen vielleicht 80-jährigen Frauen und Männern haben wir uns im Haus versteckt und gehofft, dass sie nicht eindringen.  Sie kamen nicht – Gott sei dank! Die Grenzpolizei kam ihnen zuvor! Ein Wunder, denn zuvor haben wir wie die Verrückten auf unsere Telefone eingehämmert und versucht, die israelische Polizei zu erreichen, die einfach nicht abnahm. Irgendwann haben wir sie dann über Umwege doch erreicht. 

Zu sehen, wie diese alten Menschen zusammengekauert in einer Ecke des Raumes sitzen, die Hand des pflegebedürftigen Großvaters halten und eine der Frauen laut vor sich hin betet, das war vielleicht das Schockierendste, was ich hier bisher erlebt habe. 

Was sind das für Menschen, die vor nichts halt machen? Ich hoffe Livni, Olmert und all die Zauberlehrlinge sehen wenigstens ein, dass sie die Geister, die sie gerufen haben, wenn nicht gar erschaffen haben, so einfach nicht mehr los werden.

Hintergrundinformationen zu dem Vorfall heute gibt es bei Haaretz, Jerusalem Post und sicher noch an anderer Stelle.

Update: Die Berichterstattung erreicht Europa.

Zitat aus dem Standard (Wien):

Vizepremier Haim Ramon hatte gefordert, dass sich das Kabinett mit dem Verhalten “einiger Hundert jüdischer Hooligans” befassen müsse, die Amok liefen, Armeeoffiziere prügelten, Knochen brechen und Mordversuche unternehmen würden. Die Regierung, so Ramon, stehe der Situation “zitternd und hilflos” gegenüber und die Behörden würden wortreich erklären, warum nichts gegen diese Leute unternommen werden könne. “Ich bin überzeugt, wenn es sich um Palästinenser gehandelt hätte, wären alle bereits hinter Gittern”, meinte der Vizepremier.

2. Update: Weitere Pressemeldungen aus der SZ, der ZEIT und von “euronews” (mit Film):

Die isreaelische Regierung hat nun beschlossen, illegale Siedlungen nicht länger z. B. durch den Bau von Infrastruktur zu unterstützen. Ein gutes Zeichen, merkwürdig nur, daß das ja bedeutet, daß illegalen Siedlungen vorher diese Form der Hilfe zuteil wurde.

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