Matthias

No children of mine

Wenn das, was in den letzten Tagen in Hebron passiert ist, als Reaktion auf die Räumung des von militanten Siedlern besetzten Hauses, etwas gutes hat, dann folgendes: In der isrealischen und auch der weltweiten Politik und Öffentlichkeit hat sich ein erstaunlicher Bewußtseinswandel vollzogen.

So bezeichnete der israelische Noch-Ministerpräsident Ehud Olmert heute das Vorgehen der Siedler als Pogrom – ein Begriff, der natürlich mit Bedacht gewählt wurde:

“We are the children of a people whose historic ethos is built on the memory of pogroms,” Olmert said during the weekly cabinet meeting in Jerusalem. “The sight of Jews firing at innocent Palestinians has no other name than pogrom”. (Haaretz)

In der liberalen Presse Isreals (so beispielsweise in der großen säkulär-liberalen Tageszeitung Haaretz) war das Reizwort “Pogrom” schon vor einigen Tagen verwendet worden.

Ausgelöst wurde die Debatte durch einen Vorfall am Freitag: Bewaffnete Siedler hatten eine palästinensische Familie überfallen, ihr Anwesen brandgeschatzt und ihr Leben bedroht. (Kristina hat die Familie mehrmals besucht, weil sie bereits in der Vergangenheit häufig von Siedlern attackiert wurde.)

Wie so oft hatten die israelischen Sicherheitskräfte dem Treiben der Siedler tatenlos zugesehen. Gerettet hat die Familie letztlich das beherzte Eingreifen einiger Journalisten, die den Palästinensern zu Hilfe kamen. Der Journalist Avi Issacharoff hat den Vorfall in Haaretz ausführlich beschrieben.

Inzwischen gibt es auch eine Erklärung des UN-Sicherheitsrates, in der die Siedlergewalt verurteilt wird. Die palästinensische Autonomiebehörde überlegt zudem, ob die Installation einer UN-Sicherheitstruppe in Hebron gefordert werden soll.

All das hat offenbar auch in der bisher eher desinteressierten israelischen Öffentlichkeit ein (hoffentlich nachhaltiges) Umdenken ausgelöst.

Fania Oz-Salzberger beschreibt ebenfalls in Haaretz die Stimmungslage in Israel. Sie beschreibt drei Gruppen, in die die Gesellschaft zerfalle: Eine kleine, die das Vorgehen der radikalen Siedler gutheiße, eine zweite, die blind dem Vorgehen und den Symbolen des Staates folge und eine dritte und größte, welche sie als Stimme des “demokratischen Israel bezeichnet” und welche die Mißstände nicht mehr länger dulden werde:

And the third group speaks out against those who still regard the settler youth, the ones we call “hilltop youth,” with a moist Jewish eye. “They are our children,” Minister Avi Dichter said. No, Mr. Dichter. These are not my children. That arrangement is over now. Their people are not my people. Their god is not my god. Where they live is not my country. 

Democratic Israel must now shake and rattle Jewish Israel. Not the Jews who have removed themselves from the rest of Israel, but the many people who view themselves as good, law-abiding citizens. Those who believe the kingdom’s symbols are a suitable substitute to a just regime. 

Those are the people we need to be speaking to, shouting at them that the rule of law must protect any man or woman, be they soldiers, leftists, Palestinians or settlers. Anyone. 

Der Pfad, den sie beschreibt, ist der einzige, der einen Ausweg aus der verfahrenen Situation bieten kann: Die Transformation Israels in einen liberalen, säkularen, offenen, demokratischen Staat.

Nachtrag: Der Artikel von Oz-Salzberger ist jetzt auch auf deutsch erschienen.

Ein Kommentar zu “No children of mine”

  1. [...] die israelische Siedlung Beit HaShalom durch israelisches Militär geräumt worden, woraufhin es zu brutalen Ausschreitungen von Siedlern gegenüber Palästinensern kam. Die Familie, die Opfer des Siedlerübergriffs wurde, wohnt etwa 500 [...]

Trackback URI | Kommentare als RSS

Einen Kommentar schreiben

XHTML: Diese Tags sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>