Kristina

Go to Auschwitz!

Für alle, die sich langsam Sorgen gemacht haben, weil ich seit ein paar Tagen nicht mehr gebloggt habe: Uns geht es abgesehen von Tinas Erkältung gut! Es waren nur sehr anstrengende und ereignisreiche Tage. Neben sehr guten Begegnungen haben wir die ersten verbalen Angriffe über uns ergehen lassen müssen. 

Hier ein Beispiel: Am Montag gingen wir nach dem School Run die Shuhada-Street entlang um zum Ibrahimi-Mosque-Checkpoint zu gelangen. Die Straße ist ab der Cordoba Schule für Palästinenser und fast alle Internationale faktisch gesperrt und bis auf zwei Familien haben sich die Palästinenser dem Druck gebeugt und sind aus der Schuhada-Street ausgezogen beziehungsweise geflohen.

Offiziell heißt es, dass jeder auf der Straße gehen darf, praktisch sieht es aber so aus, dass die Soldaten jeden Palästinenser und auch die meisten Internationalen aufhalten mit der Begründung, es sei zu ihrer eigenen Sicherheit, weil sie keine Zusammenstöße mit Siedlern wollen. Wer trotzdem in Richtung Ibrahimi Moschee will, ist entweder gezwungen einen ziemlichen Umweg über den Alten Souq zu machen oder einen Trampelpfad durch den Muslimischen Friedhof zu benutzen.

EAPPI ist eine der wenigen Organisationen, die meistens auf der Shuhada-Street gehen dürfen. Als wir also am Montag diese Geisterstraße entlanggingen wurden wir von drei Siedlern angesprochen: “Excuse me, does anyone of you speak English?” Tina meinte “Yes!” und steuerte schon auf sie zu. “Fuck you!” war die Antwort – Willkommen in Hebron. 

Noch ein Erlebnis: Heute saß ich am Checkpoint während des School Runs und zählte die Kinder, die ihn passierten, als ein Siedlerauto direkt neben mir hielt und die Frau einen Soldaten heran winkte. Sie redete mit ihm und deutete immer wieder auf mich. Irgendwann stieg sie aus, beschimpfte mich immer wieder mit “You have the face of a Nazi! Go to Auschwitz!”, folgte mir, fotografierte mich und verschwand Gott sei dank irgendwann wieder.

Danach erfuhr ich, dass es die gleiche Frau war, die einem kleinen Jungen so um die sieben Jahre in der Vergangenheit einen Stein in den Mund gepresst, ihn in seinem Mund umgedreht und damit seine Zähne zerschmettert hat. Vor Gericht kam sie dafür nie. Was sie heute mit mir gemacht hat, war laut Jerusalem-Koordinationsteam offenbar ihre Standardmasche.

Hier ein Foto von der Shuhada-Geisterstraße und vom Container-Checkpoint, an dem ich heute während des School Runs im Einsatz war:

2 Kommentare zu “Go to Auschwitz!”

  1. hgsam 12.09.2008 um 20:05

    Hallo Kristina,
    Gott sei Dank ist die passende Formel nach so einem Erlebnis. Erinnert mich in etwa an Doris Kalvaram, die wir bei der Verleger-Veranstaltung und auch bei der Mahnwache am Opernhaus "geniessen" durften.
    Noch ein Gedanke: Bei unserer einwöchigen Blockade vor ewigen Zeiten (1982) in Großengstingen hat die Bundeswehr Soldatenfrauen als psychologische "Waffe" eingesetzt, um uns umzustimmen. Die mussten uns bei der Nachtschicht vorweinen, dass wegen uns ihre Männer Urlaubssperre hätten und daher die ganzen Ferien verpatzt seien. Dumm nur, dass wir schon recht freundschaftlichen Kontakt mit den Wachsoldaten hatten (nicht nur für uns waren die Nächte lang(weilig)) und daher erfuhren, dass es gar keine Urlaubssperre gab. Angeblich gibt es diese Bundeswehr-Kompagnie "Psychologische Kriegführung" aber schon länger nicht mehr. Glaub ich’s?
    Friedliche Grüße und viel Kraft hgs

  2. Kristinaam 12.09.2008 um 23:30

    Hallo Hans-Günter,
    Vielen Dank für die guten Wünsche! Ja, an Frau Kalvaram kann ich mich noch lebhaft erinnern. Die gute Siedlerin von gestern spielt allerdings in einer anderen Liga. Als sie vor mir stand hab ich mir nur gedacht: verdammt, hoffentlich schlägt die nicht zu. Dem Soldaten war’s völlig egal und nachdem sie irgendwann noch lautstark angefangen hat zu telefoniern, hatte ich die Befürchtung, dass gleich noch ein paar Siedler mehr auf der Matte stehn…

    Und zum Thema Psychologische Kriegsführung hab ich noch ein Zitat eines palästinensischen Ladenbesitzers von heute: “Glaube nie Siedlern, die sind wie die palästinensische Regierung.”

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