Monatsarchiv für Oktober 2008

Kristina

Neue Ausschreitungen

Heute morgen kam es zu erneut zu Ausschreitungen militanter Siedler in Hebron nördlich von Wadi al Hussein und der Siedlung Kiriyat Arbaa, die vermutlich momentan noch andauern. Israelische Soldaten haben heute morgen einen Außenposten einer israelischen Siedlung geräumt. Daraufhin kam es zu Ausschreitungen israelischer Siedler gegenüber Palästinensern und israelischen Soldaten. Wir sahen ein Resultat der Ausschreitungen im Wadi al Hussein. Palästinenser baten uns zu dokumentieren, dass 23 Autos hinter ihrem Haus von Siedlern demoliert worden sind. Was wir sahen waren 18 Autos, deren Reifen zerstochen waren. Einige  Autos schienen offenbar schon repariert worden zu sein. Viel Zeit zu fragen hatten wir nicht, weil kurz darauf die israelische Polizei und Soldaten kamen. Nachdem wir erst vergangenen Freitag aus der H2-Area geworfen wurden mit der Begründung, es sei wieder eine Closed Military Zone, haben wir uns lieber vorher zurückgezogen.

Ein lokaler Friedensaktivist riet uns auch ab, in die Gegend des geräumten Außenposten zu gehen, da die Situation dort momentan zu gefährlich ist. Laut Haaretz wurden auch Gräber des muslimischen Friedhofs von Siedlern geschändet, der direkt an den Parkplatz angrenzt, auf dem die Autos beschädigt wurden. Die Nachricht hat es heute auf die Startseite von Haaretz gebracht. Hier der Link. Besonders interessant auch hier die Tatsache, dass Siedler immer aggressiver gegenüber israelischen Soldaten werden.

Nachtrag (Matthias): Nun hat das Thema auch die deutschsprachigen Medien erreicht: So berichten z.B. Spiegel Online und die FTD über die zunehmende Gewalt der Siedler.

Kristina

Operation Wüstensturm

Heute Nacht hat ein Gewitter mit orkanartigem Wind Susiya erzittern lassen. Wir lagen im Schlafsack als unser Zelt wegzufliegen drohte. Der Wind war so stark, dass ein Stuhl, der im Zelt stand, einer Voluntärin auf’s Gesicht  knallte. Dummerweise besteht das Zelt der “Internationalen” aus Metallstangen, Planen und eine etwa fünf Meter hohe Antenne ragt in den Himmel. Und das ganze steht auf der höchsten Erhebung weit und breit mitten in der Wüste. Da muss man nicht paranoid sein, um sich vor Blitzen zu fürchten.

Wie auch immer – wir haben’s überstanden und durften auch in ein stabileres Zelt umziehen. Das “International Tent” blieb glücklicherweise unbeschädigt (vom Wasser mal abgeseh’n), dafür hat es aber einen der Schafställe und die Küche abgedeckt. Susiyas Bewohner haben sich aber letztlich sehr über den Regen gefreut, weil sie natürlich extrem auf das bisschen Wasser angewiesen sind, das während der Herbst- und Wintermonate auf sie herabregnet.

Hier ein paar Nach-dem-Sturm-Bilder:

Matthias

Akko

Während der Exposure Week vergangene Woche waren wir unter anderem auch in Akko.

Akko ist eine Stadt, in der Juden und Araber eigentlich sehr friedlich zusammenlebten. Nun ist sie aber in den vergangenen Wochen als Ort von schweren Ausschreitungen durch die Medien gegangen: Zum Jom-Kippur-Fest, dem jüdischen Versöhnungsfest und höchsten Feiertag, ruht in Israel das öffentliche Leben. Es ist verpönt, Auto zu fahren, der öffentliche Nahverkehr ruht, die Fernsehsender stellen ihr Programm ein (und die Videotheken machen mehr Umsatz als irgendwann sonst). An diesem Tag fuhr ein israelischer Araber mit seinem Auto durch ein jüdisches Wohnviertel. Warum er das tat, scheint nicht ganz klar zu sein — vermutlich war er nur auf dem Weg nach Hause, es wird aber auch behauptet, er sei mit lauter Musik in provokativer Ansicht unterwegs gewesen. An dieser (bewußten oder nur so verstandenen) Provokation entzündeten sich schwere Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern, Straßenschlachten, zerstörte Wohnungen, Wasserwerfereinsätze, Verhaftungen. Das Alternative Theaterfestival von Akko wurde zunächst abgesagt und konnte schließlich nur stark eingeschränkt stattfinden.

Ein Übergreifen der Unruhen auf andere Städte wurde befürchtet, die isrealische Politik war in hellem Aufruhr.

Zunächst schien es unsicher, ob es möglich sein würde, überhaupt nach Akko zu fahren. Letztendlich stellte sich die Situation aber völlig anders da als erwartet: In der historischen Altstadt von Akko, die vor allem von Arabern bewohnt ist, war von den Unruhen kaum etwas zu spüren. (Touristisch ist Akko ein Juwel: Enge Straßen, die aussehen, als seien sie seit Jahrhunderten unverändert, Händler die Gewürze verkaufen oder Fische, die so frisch sind, daß sie fast aus den Plastikwannen hüpfen, dabei nichts von dem Trubel des Suq von Jerusalem mit seinen Hunderten Kitschverkäufern und Touristenfallen.)

Die schönste Begegnung hatten wir dann mit diesem Händler, der einen der im Nahen Osten allgegenwärtigen Stände betreibt, die frischen Granatapfel- oder Orangensaft verkaufen:

Er hatte uns auf Deutsch angesprochen und eine wilde Geschichte von seinem Onkel erzählt, der in Deutschland Professor ist und den er schon mehrfach besucht hat. Die zahlreichen Brocken Deutsch, die er sprechen konnte, gipfelten schließlich in schwäbischen Zungenbrechern.

Neben uns stand ein jüdisches Paar, es entwickelte sich eine multireligiöse und multilinguale Konversation über die Unruhen: Aus Sicht der Beiden sind die Unruhen weniger ein religiöser Konflikt als ein Konflikt der Armen gegen die Armen. Schauplatz der ersten Auseinandersetzungen seien arme jüdische und arabische Viertel, andere Gruppen seien dann auf den Zug aufgesprungen und hätten die Lage für sich genutzt. Eskaliert sei die Entwicklung vor allem durch die Beteiligung von Juden, die früher in Gaza gelebt hatten und die nach der Räumung des Gaza-Streifens durch Israel 2003 in Städte wie Akko umgesiedelt wurden. Eine persönliche Sicht natürlich, aber nachvollziehbar: Deprivation statt Religion als Auslöser von Unzufriedenheit, Spannungen und Gewalt, wie so oft und überall auf der Welt.

Ein Hoffnungsschimmer:

Auf einem Platz vor der Altstadt hatten Friedensaktivisten eine große Sukka aufgestellt, eine Laubhütte, wie sie von den Israelis beim Sukkot-Fest benutzt wurde. Sie wurde als Begegnungsort verwendet, in dem Juden und Moslems, darunter jüdische Rabbis und muslimische Sheikhs sich trafen und das Geschehen diskutierten. (Hier ein Artikel aus Haaretz.)

(Bilder und Text: Matthias)

Kristina

Kicked out again (2)

Langsam wird das hier zur schlechten Gewohnheit: Heute wurden wir schon wieder aus der H2-Zone rausgeworfen. Wir kamen wie immer um sieben Uhr an, um die Kinder zur Schule zu begleiten, trafen aber auf einen offenbar unsicheren Soldaten, der nicht recht wusste, ob er uns durchlassen darf. Das Ende vom Lied: er rief die Polizei an, die ihm dann sagte, dass wir nicht passieren dürfen. Gründe gab es keine, weder einen jüdischen Feiertag, noch eine Order von wegen “Closed Military Zone”. 

Das Absurde daran: wir haben’s dann einfach an einem anderen Checkpoint probiert und da wußte weder der Grenzpolizist noch der von der ‘blauen’ Polizei bescheid. Beide ließen uns durch. Wir mussten mächtig mit uns kämpfen, nicht winkender Weise zu dem betreffenden Soldaten zu laufen, um ihm zu zeigen, dass wir’s doch geschafft hatten…

Kristina

Tanzen und Trauern

Auch wenn H2 heute für mich tabu war: vom Dach des Christian Peacemaker Teams habe ich ein paar Blicke auf die Schuhada-Street und das Tel-Rumeida-Viertel erhaschen können. Was ich gesehen habe hätte kontrastreicher nicht sein können. Auf der für Palästinenser verbotenen Shuhada-Street tanzten und sangen die Siedler und feierten ihre Torah (die Maschinengewehre natürlich immer mit dabei), während auf dem angrenzenden muslimischen Friedhof ein Palästinenser bestattet wurde. Und zwischen den beiden Gruppen standen die Soldaten. Hier ein paar Fotos:

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